Fairer Umgang am Arbeitsplatz: Wenn Führung versagt, gibt es doch (k)eine faire Lösung?! + = Fairness, Chancengleichheit und gegenseitiger Respekt sind zentrale Werte bei Mercedes-Benz. Sie bilden die Grundlage für ein erfolgreiches Miteinander und sind entscheidend, um als Team nachhaltig leistungsfähig und wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Unternehmen erwartet von allen Mitarbeitenden und Führungskräften, dass sie aktiv zu einem respektvollen Arbeitsumfeld beitragen. Gleichzeitig verpflichtet es sich selbst zu diesen Prinzipien – festgehalten in „Unsere Verhaltens- richtlinie, IC 0.4“ (zu finden in der ERD-Datenbank). Was passiert jedoch, wenn diese Erwartungen - egal von welcher Seite nicht erfüllt werden? Wenn Theorie und Praxis auseinanderklaffen? Genau das ereignete sich in einem Team der Kostenstelle 1371 in Untertürkheim. Ein Team in Untertürkheim meldete – wie es in „Unsere Verhaltensrichtlinie, IC 0.4“ erwartet wird – aktiv das Fehl- verhalten ihrer Führungskraft. Es fiel ihnen nicht leicht, doch sie taten es, um sich und ihre Arbeitsumgebung zu schüt- zen. Sie brachen ihr Schweigen und wandten sich an alle möglichen Stellen im Unternehmen: an die nächsthöhere Führungsebene, die Personalabteilung, die Schwerbehin- dertenvertretung, die Sozialberatung und den Betriebsrat. Sie berichteten, dass ihre Führungskraft sie immer wieder in unangemessener Weise behandelte: Sie schrie sie an, hatte emotionale Ausbrüche und schuf so ein Klima der Angst. Sie setzte gezielt Druck ein, um bessere Bewertungen in Mitarbeiterbefragungen zu erzwingen. NAVI-Gespräche wurden teils nur als erledigt markiert, ohne sie tatsächlich zu führen. Wer ihre Gunst verlor, wurde bei der Urlaubs- und Überstundenplanung übergangen oder mit besonders belastenden Schichten eingeteilt. Zusätzlich verstärkte die Führungskraft Spannungen im Team, indem sie hinter dem Rücken einzelner Beschäftigter abfällige Bemerkungen machte, gezielt Unruhe stiftete und Gerüchte verbreitete. Lästereien und unterschwellige Sti- cheleien führten dazu, dass das Arbeitsklima zunehmend vergiftet wurde. Trotz mehrerer Gespräche im Beisein der Abteilungsleitung, der Personalabteilung und des Betriebsrats blieb die Situ- ation unverändert. Die Beschäftigten hatten das Richtige getan und den Missstand gemeldet – so, wie es das Unter- nehmen von ihnen erwartet. Doch statt Lösungen gab es nur leere Worte. Die Teammitglieder fühlten sich nicht ernst genommen, ihre psychische Belastung stieg und sie sahen keine Perspektive mehr. Ein externer Coach wurde hinzugezogen, um die Situation zu entschärfen – doch Vertrauen, das einmal zerstört wurde, ist nur schwer wiederherzustellen. Das Problem dabei: Diese Muster waren nicht neu. Bereits in der Vergangenheit hatte die gleiche Führungskraft in anderen Teams für erhebliche Spannungen gesorgt. Doch trotz wiederholter Beschwerden und Interventionen blieb sie in ihrer Rolle. Aber warum? Ist sie selbst glücklich in dieser Rolle? Will sie überhaupt führen? Und wenn ja, warum? Eine gute Führungs- kraft motiviert, entwickelt und schafft Vertrauen. Doch wenn jemand immer wieder negativ auffällt, muss nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Person sich selbst fragen: Passt diese Rolle wirklich? Führung bedeutet Verantwortung – nicht nur für Zahlen, sondern vor allem für Menschen. Wer das nicht leisten kann oder will und aus den falschen Motiven handelt, wem es womöglich nur um Machtausübung geht, hinterlässt Fru- stration, Demotivation und verbrannte Erde. Das Unternehmen betont regelmäßig, zum Beispiel im Social Intranet, dass Fehlverhalten am Arbeitsplatz nicht toleriert wird und ein respektvoller Umgang miteinander von zentraler Bedeutung ist. Doch für das Team in Unter- türkheim wirken solche Aussagen wie leere Worte – wie reine Floskeln. Die Beschäftigten hatten bereits vor der Meldung Ängste und nahmen an, dass ihre Beschwerden ohne Konsequenzen bleiben würden. Diese Befürchtungen haben sich nun für sie bestätigt. Am Ende bleibt die Frage: Was bleibt von all den Richtlinien und Versprechungen, wenn die Praxis anders aussieht? Wer glaubt, dass es sich hierbei um einen Einzelfall handelt, sollte sich fragen: Wie oft bleibt solches Verhalten unent- deckt? Wie viele Kolleginnen und Kollegen halten still, weil sie resigniert haben oder erst gar nicht den Mut finden, Missstände anzusprechen? Wenn man selbst schon einmal in einer ähnlichen Situation war, kennt man die Antwort vermutlich allzu gut. 20 02|2025